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March 20, 2020

Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf gewerbliche Mietverhältnisse

Die dynamische Entwicklung der COVID-19-Pandemie führt auch bei Vermietern und Mietern gewerblich genutzter Flächen zu massiven Beeinträchtigungen. Das Geschäft vieler Mieter wird durch die gesunkene Kundenfrequenz, aber auch durch Lieferengpässe oder Krankheitsfälle im Personal beeinträchtigt. Darüber hinaus führen die Rechtsverordnungen der Länder über infektionsschützenden Maßnahmen, mit denen die Öffnung vieler Geschäfte und Gaststätten (und zukünftig ggf. auch Büros) eingeschränkt oder verboten wird, zu oftmals massiven Umsatzeinbußen der Mieter. Vor diesem Hintergrund stellt sich für die Beteiligten zwangsweise die Frage, ob all diese Umstände auch Auswirkungen auf ihren Mietvertrag haben. Der folgende Beitrag soll hierzu einen ersten Überblick bieten, und geht dabei davon aus, dass keine speziellen vertraglichen Abreden der Parteien zu den nun auftretenden Beeinträchtigungen getroffen wurden.

Die Folgen der Pandemie als Mangel der Mietsache?

Würden die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie einen Mangel der Mietsache darstellen, so könnten die Mieter gegebenenfalls Mietminderungen geltend machen, in Extremfällen aber sogar das Mietverhältnis außerordentlich kündigen. Bei der Betrachtung ist zwischen verschiedenen Fallgruppen zu unterscheiden.

Relativ eindeutig erscheinen Fälle, in denen der Vermieter dem Mieter vertraglich geschuldete Leistungen (abgesehen von der Zurverfügungstellung der Mietflächen) nicht mehr in der vereinbarten Form zu Verfügung stellen kann. Schuldet der Vermieter nach dem Mietvertrag beispielsweise die Möglichkeit eine Kantine mit zu nutzen und kann der Kantinenbetrieb nicht aufrecht erhalten werden, so dürfte dies (vorbehaltlich abweichender vertraglicher Vereinbarungen) einen Mangel der Mietsache darstellen, der den Mieter zur angemessenen Mietminderung berechtigt.

Wesentlich bedeutsamer erscheint derzeit aber die Frage, ob die verringerte Kundenfrequenz im Zuge der COVID-19-Pandemie oder auch die Einschränkungen der Mieter aufgrund von Rechtsverordnungen, die im Zuge der Pandemie erlassen wurden, zu einem Mangel der Mietsache führen können.

Allein die verringerte Kundenfrequenz dürfte regelmäßig nicht zu einem Mangel des Mietgegenstands führen, denn das Verwendungsrisiko, einschließlich des Risikos mit dem Mietgegenstand einen Gewinn zu erzielen, liegt in der Gewerberaummiete grundsätzlich beim Mieter.

Schwieriger zu beurteilen ist die Frage, ob es einen Mangel der Mietsache darstellt, wenn der Mieter sein Geschäft aufgrund einer neuen Rechtsverordnung gar nicht mehr, oder nur noch mit eingeschränkten Öffnungszeiten betreiben darf. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können gesetzgeberische Maßnahmen nur dann zu einem Mangel der Mietsache führen, wenn die bewirkte Gebrauchseinschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Mietsache in Zusammenhang steht. Gerade hieran dürfte es jedoch bei den Rechtsverordnungen, die im Zuge der COVID-19-Pandemie erlassen wurden, fehlen. Führt der Bundesgerichtshof die vorgenannte Rechtsprechung konsequent fort, so dürften die Einschränkungen durch die im Zuge der COVID-19-Pandemie erlassenen Rechtsverordnungen wohl keinen Mangel der Mietsache begründen.

Verzug des Mieters – trotz einer Krise höherer Gewalt

Zahlt ein Mieter bei Fälligkeit seine Miete zu Unrecht nicht vollständig, kommt er in Verzug. Was zunächst selbstverständlich klingt, ist in Zeiten von COVID-19 nicht notwendigerweise selbstverständlich: Da Verzug ein Verschulden voraussetzt, könnte ein Mieter argumentieren, dass ein Verschulden im Fall höherer Gewalt nicht vorliegt. Grundsätzlich ist nicht auszuschließen, dass die COVID-19-Krise in anderen Vertragsverhältnissen Fälle höherer Gewalt darstellt, insbesondere im Zusammenhang mit zusammenbrechenden Lieferketten. Im Hinblick auf die Verpflichtung zur Zahlung von Miete dürfte dieses Argument jedoch regelmäßig nicht greifen, da es sich um eine einfache Zahlungspflicht in Geld handelt. Hier gilt nach dem BGB der Grundsatz, dass man Geld zu haben hat. Selbstverständlich können Mietverträge abweichend davon konkrete Regelungen zur höheren Gewalt vorsehen, in der Praxis ist die meistens jedoch nicht der Fall.

Rechte des Mieters unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage

In Einzelfällen können Mieter aber selbst wenn kein Mangel der Mietsache vorliegt unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage eine Anpassung des Mietvertrags verlangen, oder, wenn eine Anpassung nicht möglich oder einem Vertragspartner nicht zumutbar ist, den Mietvertrag kündigen. Das Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage soll als Ausfluss des Prinzips von Treu und Glauben Umständen Rechnung tragen, die Grundlage des Vertrags geworden sind, sich aber nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben.

Auch bei möglichen Ansprüchen des Mieters wegen Störung der Geschäftsgrundlage sind grundsätzlich die vertragliche und gesetzliche Risikoverteilung zu berücksichtigen. Da bei einem Mietverhältnis grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko trägt, wären auch Ansprüche unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage ausgeschlossen.

Der Bundesgerichtshof hat jedoch in der Vergangenheit betont, dass in extremen Ausnahmefällen, in denen eine unvorhergesehene Entwicklung mit unter Umständen existenziell bedeutsamen Folgen für eine Partei eintritt, die vertragliche und gesetzliche Risikoverteilung im Hinblick auf eine mögliche Störung der Geschäftsgrundlage ausnahmsweise außer Acht gelassen werden könnte. Zwar sind wir im Moment geneigt, aufgrund der vorübergehenden Geschäftseinschränkungen eine Störung der Geschäftsgrundlage zu verneinen, allerdings kann sich diese Einschätzung aufgrund der Dynamik im Zuge der COVID-19-Pandemie ändern – insbesondere wenn man bedenkt, dass Gerichte die jetzige Krise retrospektiv betrachten werden. Vor diesem Hintergrund halten wir es für nicht ausgeschlossen, dass das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage zu einem Einfallstor für mögliche Rechte und Ansprüche der Mieter werden kann.

Ausblick

Die Folgen der COVID-19-Pandemie sind immer noch nicht abschließend zu überblicken. Klar sein dürfte jedoch, dass die massiven Umsatzeinbußen und Einschränkungen der Mieter zu einer Vielzahl von Auseinandersetzungen zwischen Vermietern und Mietern führen wird. Bei entsprechenden Risikoeinschätzungen oder Korrespondenz mit Ihrem Vertragspartner unterstützen wir Sie gerne!   Abschließend bitten wir zu beachten, dass die vorstehenden Ausführungen lediglich einen abstrakten und groben Überblick geben sollen, und eine rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen.