Insight
March 31, 2020

COVID-19: EINGRIFF IN DAS MIETRECHT

ERSTE ÜBERSICHT VON IMPLIKATIONEN UND  HANDLUNGSOPTIONEN

Hinweis: 

Die Geltendmachung von Rechten sowie deren Abwehr ist immer auch abhängig von den konkret vereinbarten, vertraglichen Regelungen und dem tatsächlichen Sachverhalt im Einzelfall. Die nachstehende Übersicht ist daher lediglich als erste Orientierungshilfe gedacht und stellt keinen Rechtsrat dar und soll diesen auch nicht ersetzen.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass die COVID-19 Krise mit den daraus folgenden wirtschaftlichen Folgen eine bisher nie dagewesene Dynamik entfaltet. Es besteht daher das Risiko, dass Gerichte, die Rechtsstreitigkeiten erst in ein paar Monaten entscheiden, Sachzusammenhänge (insbesondere im Hinblick auf Kündigungen, Mietmangel oder Störung der Geschäftsgrundlage) in der Rückschau ggf. anders bewerten als dies zum heutigen Tag der Fall ist.

1. HINTERGRUND

(A) Der Bundesgesetzgeber hat am 25./27. März 2020 ein Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht ("Gesetz") beschlossen. Das Gesetz regelt unter anderem eine Beschränkung des Kündigungsrechts von Miet- und Pachtverhältnissen durch Vermieter:

(B) Art. 5 § 2 des Gesetzes bestimmt: 

Ein Vermieter kann ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Der Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen. Sonstige Kündigungsrechte bleiben unberührt“. 

(C) Das bedeutet, dass Kündigungen durch den Vermieter aufgrund Zahlungsrückständen für den Zeitraum zwischen 1. April 2020 und 30. Juni 2020 ("Zeitraum") bis zum 30. Juni 2022 nicht möglich sind. Die Geltungsdauer kann durch Rechtsverordnung der Bundesregierung bis zum 30. September 2020 verlängert werden.

2. RECHTLICHE IMPLIKATIONEN 

2.1 Glaubhaftmachung durch den Mieter: Eine Kündigung wegen Zahlungsverzuges durch den Vermieter ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Nichtleistung der Miete auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Das Gesetz verlangt, dass „der Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung glaubhaft zu machen ist.“ 

Zur Glaubhaftmachung kann sich der Mieter entsprechender Nachweise, einer Versicherung an Eides Statt oder sonst geeigneter Mittel bedienen. Geeignete Mittel können insbesondere der Nachweis der Antragstellung beziehungsweise die Bescheinigung über die Gewährung staatlicher Leistungen, Bescheinigungen des Arbeitsgebers oder andere Nachweise über das Einkommen beziehungsweise über den Verdienstausfall sein. Mieter von Gewerbeimmobilien können darüber hinaus den Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung zum Beispiel regelmäßig mit dem Hinweis darauf glaubhaft machen, dass der Betrieb ihres Unternehmens im Rahmen der Bekämpfung des SARS-CoV-2-Virus durch Rechtsverordnung oder behördliche Verfügung untersagt oder erheblich eingeschränkt worden ist.

2.2 Unverändertes Fortbestehen der Mietzahlungspflicht: Die Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit durch den Vermieter heißt nicht, dass der Mieter für den Zeitraum von seiner Mietzahlungspflicht befreit ist. Die Mietzahlungspflicht besteht in vollem Umfang und zu den vereinbarten Zeitpunkten unverändert weiter und kann auch eingeklagt oder vollstreckt werden. Dies folgt auch aus der Gesetzesbegründung: „Dies hat zur Folge, dass Mieter und Pächter ihre Forderungen weiterhin fristgerecht leisten müssen […].“ 

2.3 Verzug des Mieters bei Nichtleistung der Miete: Da die Mietzahlungspflicht in vollem Umfang und zu den vereinbarten Zeitpunkten (üblicherweise im Voraus zum 3. oder 5. eines Monats) weiter besteht und mit der Regelung auch keine Stundung oder ein Zahlungsmoratorium verbunden ist, gerät der Mieter bei Nichtzahlung (eine marktübliche Regelung in einem Mietvertrag vorausgesetzt, in welcher der Leistungszeitpunkt für die geschuldete Mietzahlung bestimmt ist) automatisch auch ohne Mahnung oder Fristsetzung des Vermieters in Verzug mit der Zahlung der betreffenden Mietzahlung (§ 286 Abs. 2 Satz 1 BGB). Im deutschen Zivilrecht hat der Schuldner (fast) immer das Nichtzahlen zu vertreten.

Die Gesetzesbegründung führt insoweit aus, dass „die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs der Fälligkeit und des Verzugs weiterhin auf Miet- und Pachtforderungen während der Geltung des Gesetzes anwendbar sind.“ 

2.4 Verzugszinsen: Nach § 288 BGB hat der Mieter den nicht gezahlten Betrag zu verzinsen. Soweit ein Verbraucher (also z.B. ein Wohnraummieter) nicht beteiligt ist beträgt der Zinssatz 9% über dem Basiszins pro Jahr. Der Basiszins beträgt momentan -0,88% so dass der Verzugszins zwischen Unternehmern gegenwärtig 8,12% p.a. beträgt. 

Wenn ein Verbraucher beteiligt ist beträgt der Verzugszinssatz 5% p.a. über dem Basiszins, gegenwärtig also 4,12% p.a.

2.5 Weitere Verzugsschäden: Über die Verzugszinsen hinaus kann der Gläubiger jeden weiteren Verzugsschaden geltend machen, der auf Verzug beruht. So sieht das Gesetz auf jeden Fall eine Kostenpauschale von EUR 40,- vor, die auf die Kosten der Rechtsverfolgung, die auch als Verzugsschaden zu qualifizieren ist, anzurechnen sind. In jedem Fall gilt natürlich die Schadensminderungspflicht.

2.6 Sicherheiten des Vermieters: Der Vermieter kann seine eventuell bestehenden Mietsicherheiten zur Begleichung der Zahlungen, mit denen sich der Mieter im Verzug befindet, verwerten. Diese Mietsicherheiten können üblicherweise Kautionen oder Bürgschaften sein, aber auch das Vermieterpfandrecht. U.U. besteht im Einzelfall dann noch ein Anspruch auf Wiederauffüllung der Sicherheit.

2.7 Sonstige Kündigungsgründe: Alle sonstigen Kündigungsgründe oder Befristungen bleiben bestehen. So bleiben z.B. außerordentliche Kündigungen des Vermieters aus anderem wichtigen Grund weiterhin möglich (etwa, weil der Mieter den Mietgegenstand dadurch gefährdet, dass er die ihm obliegende Sorgfalt nicht einhält).

2.8 Mietminderung wegen Gebrauchseinschränkung durch Corona: Grundsätzlich liegt das Verwendungsrisiko der Mietsache in der Risikosphäre des Mieters. Einschränkungen der Nutzbarkeit haben daher in der Vergangenheit keinen Mietmangel begründet, wenn und soweit dieser nicht auf der Beschaffenheit oder der Lage der Mietsache beruhte. Im Einzelfall ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zukünftig einen Mangel der Mietsache darstellen und Mieter gegebenenfalls Mietminderung geltend machen. Das ist aber im Einzelfall zu prüfen, z.B. wenn Behörden den Gebrauch der Mietsache allgemein untersagen. Allerdings geht der Bundesgesetzgeber wohl selbst nicht von einem allgemeinen Mangel der Mietsache aus. Andernfalls würde es der Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit durch den Vermieter kaum bedürfen.

Dasselbe dürfte grundsätzlich auch für Anpassungen der Miete im Rahmen der sog. Störung der Geschäftsgrundlage gelten. Hier ist allerdings zu beachten, dass Gerichte in Zukunft gleichwohl eine Änderung der "Geschäftsgrundlage" annehmen, sollten Kontaktverbote, Ausgangssperren und/oder Geschäftsschließungen weiter andauern und die wirtschaftliche Grundlage der Mietverträge in Zweifel ziehen.

3. HANDLUNGSOPTIONEN VERMIETER

Wenn der Mieter die Mietzahlungen reduziert oder mindert oder ganz einstellt oder dies ankündigt, hat der Vermieter unter anderem folgende Handlungsoptionen:

3.1 Einforderung der Glaubhaftmachung: Da der Vermieter wegen der Zahlungsrückstände weiterhin kündigen kann, wenn der Mieter es versäumt oder nicht vermag, glaubhaft zu machen, dass die Nichtleistung der Miete auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht, sollte diese Glaubhaftmachung vom Mieter unverzüglich schriftlich eingefordert werden.

3.2 Ankündigung und Einforderung der Verzugsschäden und der Verzugszinsen: Der Vermieter sollte unverzüglich neben der Zahlung der Mieter die Verzugszinsen und die Verzugspauschale einfordern und sich weitere Verzugsschäden (ggf. Kosten eines Rechtsanwalts oder Rechtsverfolgungskosten) vorbehalten.

3.3 Titulierung der Ansprüche: Diese kann einfach durch Beantragung eines Mahn- und dann Vollstreckungsbescheides erfolgen. Die betreffenden Anträge sollten schnell gestellt werden.

3.4 Inanspruchnahme der Mietsicherheiten: Je nach vorhandenen Mietsicherheiten sollten/könnten diese in Anspruch genommen werden.

4. HANDLUNGSOPTIONEN MIETER

Sofern die Mietzahlung wegen der COVID-19-Pandemie verschoben werden soll, hat der Mieter unter anderem folgende Handlungsoptionen:

4.1 Glaubhaftmachung: Der Mieter sollte in jedem Fall unverzüglich schriftlich glaubhaft machen, dass die Nichtleistung der Miete auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Dies kann z.B. durch eine eidesstattliche Versicherung, sonstige Unterlagen oder Aussagen Dritter geschehen.

4.2 Bitte um Stundung: Zur Vermeidung der unangenehmen Folgen des Schuldnerverzugs sollte der Mieter sich bemühen, mit dem Vermieter eine Stundung der betreffenden Mietzahlungen zu vereinbaren. Dies kann durch einfache Stundungsvereinbarung geschehen.

4.3 Zahlung der Miete unter Vorbehalt: Da die behördlichen Einschränkungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie im Einzelfall und in ganz bestimmten individuellen Konstellationen einen Mangel der Mietsache darstellen könnten, könnte es ratsam sein, die Mietzahlungen während dieser Zeit ausdrücklich unter den Vorbehalt der Rückforderung zu stellen, um später nicht durch § 814 BGB (Leistung in Kenntnis der Nichtschuld) an der Rückforderung gehindert zu sein.